Gewissenskonflikte und Leidensdruck
Die Unternehmensskandale der vergangenen Jahre waren ganz überwiegend nicht auf das Fehlverhalten Einzelner, sondern auf langjährige, organisierte Strukturen unter Beteiligung einer Vielzahl von Personen zurückzuführen. Forensische Untersuchungen dieser Fälle haben gezeigt, dass in vielen Fällen auch loyale Mitarbeiter, lautere, "ausgebootete" Geschäftspartner und das sonstige Täterumfeld zumindest in groben Umrissen Kenntnis von den kriminellen Handlungen bzw. ihren Anzeichen, den sogenannten "red flags", hatten.
Diese Mitarbeiter teilten ihr Wissen jedoch, trotz zum Teil erheblicher Gewissenskonflikte und enormen Leidensdrucks, in vielen Fällen den zuständigen Vorgesetzten bzw. Kontrollinstanzen nicht mit. In manchen Fällen wandten sie sich aber stattdessen, vielfach nach längerem Zögern, direkt an die Strafverfolgungsbehörden bzw. an die Medien. So etwas führt unmittelbar zu einem enormen Reputationsverlust des Unternehmens. Das Verfahren der Aufklärung ist in so einer Situation auch nicht mehr in der Hand des Unternehmens. Der Druck durch Behörden und Öffentlichkeit bestimmt die Aufklärung.
Die Ursache dieses organisationsinternen Informationsdefizits ist also weder die völlige Unerkennbarkeit der kriminellen Handlungen noch eine grundsätzlich fehlende Mitteilungsbereitschaft von loyalen Mitarbeitern bzw. integren Geschäftspartnern. Vielmehr sehen sich diese aufgrund von Misstrauen und Furcht vor persönlichen Nachteilen vor einer unüberwindbaren Hemmschwelle in Bezug auf organisationsinterne Kontaktpersonen. Hinzu kommt häufig die Sorge, als "Denunziant" zu gelten, obwohl sich dieser Vorwurf in fast allen Fällen aufgrund der altruistisch-idealistischen Motivation des Hinweisgebers als verfehlt herausgestellt hat. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang bemerkt, dass in der deutschen Sprache eine zutreffende Übersetzung für den positiv besetzten Begriff "Whistleblower" fehlt.
Best practice
Der entscheidende Parameter zur Beseitigung dieser Hemmschwelle ist somit, insbesondere für den ersten Kontakt, dass sich der Hinweisgeber seinem Ansprechpartner von seinem Umfeld unbemerkt nähern kann, und dass ihm dieser seine Anonymität auf Wunsch uneingeschränkt garantieren kann.
Die "best-practice"-Lösung zur Vermeidung dieser Situation ist damit die Beauftragung eines externen Ombudsmanns. Denn im Gegensatz zu den Angehörigen der Revision und sogar dem Unternehmensjustiziar kann der Ombudsmann aufgrund seines umfassenden Zeugnisverweigerungsrechtes und der Beschlagnahmefreiheit seiner Aufzeichnungen die Anonymität des Hinweisgebers garantieren, und damit die Hemmschwelle zum Kontakt entscheidend senken.